This interview was made by Sascha Kösch for DeBug Magazine in June 2000. Interview in german, obviously.

Monolake sind Giganten. Gerhard Behles, merkwürdiger Software und Instrumentenspezialist, der in zehn Jahren in jedem guten Klappentext über die Revolution musikalischer Software stehen wird, und Robert Henke, Imbalance Computer Music-Labelmacher und Exschneider bei Dubplates & Mastering, obendrein eine der charismatischsten Personen der Berliner Musikszene, dem man gerne die Verantwortung über die Maße übertragen würde, auch im Nachhinein, die nach neuen Herrschern auf der Siegessäule schreit, schrie, vielleicht mal wieder schreien wird. Nicht einfach nur, weil er so groß ist, daß man eh immer zu ihm aufsehen muß, sondern weil, tja, weil Monolake eben Giganten sind. Aus dem Basic Channel- und Hardwax- Umfeld langsam herausgewachsen, entwickelt ML/I, wie das neue Label für Monolake-Produkte nun heißt, ein Profil der Weite, das man gerne mit Labeln wie Wüste, Schneesturm, digitale Präzision, informeller überlastung oder ähnlichem beschreibt, das aber vor allem Monolake mitten in die Szene um Chain Reaction, Din, Arovane, Traktor, und wie die neuen großen Namen alle lauten setzen kann, ohne daß man sie untereinander noch groß verwechseln würde. Die Notwendigkeit eines Berliner Sounds, ähnlich wie das Köln Stratagem, nach wie vor strikt leugnend, zeigt sich aber doch, grade aus diesem, schnell ins Uferlose wachsenden Umfeld, daß mitten aus einem Zentrum heraus wiedereinmal sehr viel von genau der Musik entsteht, die einen immer wieder bewegt, und vor allem an eine notwendige Entwicklung elektronischer Musik glauben läßt, die sich an einer festen Größe entlang in viele Richtungen hin entwickelt. Eine davon Monolake, fest verankert zwischen Ausflügen in sandigere Gebiete, prozeßuraler Unendlichkeit, der gepflegten Liebe zum gut geschriebenen Programm und einer ständig in den Tracks gebrochenen Liebe zur gepflegt gebrochenen Büroästhetik, wie man auf ihrer neuen LP 'Interstate'; mehr als deutlich hören kann. Die Vorstellung, daß Monolake mit zwei Laptops demnächst akustische Unternehmensberatung machen, ist dabei ebenso wenig abwegig, wie ihre Verwendung als Feldforscher für die Rekonstruktion elektrochemischakustischer Prozeße in den Sümpfen des Amazonas oder als Glamrockavatare des weißen Rauschens. Wie man aus solch einer Vielseitigkeit das Gegenteil von Beliebigkeit destilliert, erklären die beiden in dem nun folgenden kurzen E-Mail Interview.


Das überraschendste an Interstate ist für mich wie funky auf einmal alles geworden ist. Wie hält man die Waage zwischen Funkyneß und Dichte?
G: Das ist das Ergebnis sehr komplexer musikalischer Zusammenarbeit. Ich interessere mich eigentlich nur für filigrane Klangtexturen, muß aber trotzdem zusätzlich Roberts Gitarren-Funk integrieren. Naja, über die Jahre haben wir uns arrangiert. Nur das mit dem Slap-Bass ;

R: …. der Slap Bass war gut und absolut notwendig an dieser Stelle. Aber wo ist denn der Wiederspruch zwischen funky und Dichte? Produktionstechnisch ergab sich das einfach, ohne das es intendiert gewesen wäre. Wir haben es aber durchaus bemerkt. Daher auch etwa der Titel “Abundance”,…. ansonsten hat Dichte den Vorteil, daß, analog zum großem Kino, auch nach dem dritten Hören noch was zu finden ist, irgend ein Detail… wenn es trotzdem funky ist und nicht nur Brei, ist es doch wunderbar!


Ist ein gewißes Maß an zuviel wichtig fuer Monolake?
G: Eine Maß zuviel? Das kommt schon vor.

R: Naja, das ist besser als zu wenig, weil es halt auch nicht primär DJ- Tools sind, wo man froh ist über die Löcher zwischen den Beats oder fehlende Chords, damit es sich nicht zu sehr reibt beim übergang, sondern halt so Vollkorn-Wohnzimmer-Futter für Highend- und Kopfhörerfetischisten. Aber ich glaube, das mit der Dichte reicht jetzt, und als nächstes kommt wieder mehr Luft…


Gibt es so etwas wie eine Ablösung von Basic Channel? Ist das notwendig, wenn man lange in ihrem Umkreis gearbeitet hat, und wenn ja, wie versteht man das selber ohne auf deren Referenzen zurückzugreifen?
R: Basic Channel ist cool. Aber es ist ein ganz normaler Prozess, daß die Kinder, wenn sie erwachsen werden eigene Wege gehen. Und ich denke, der Monolakesound ist einfach nicht mehr das, was CR für die Leute ist. Wir paßen da eben nicht mehr rein, und wenn die Leute eine CR-Platte kaufen, sollen sie auch Musik hören, die da hingehört. Und an die Stelle der Labelidentität von Chain Reaction tritt jetzt die Projektidentität Monolake. Also mit dem eigenen Label eigentlich die gleiche Konstruktion wie Basic Channel zu Beginn, als Mark & Moritz nur sich selbst veröffentlicht haben. Und da schließt sich dann der Kreis schon fast wieder.

Viele Stücke scheinen sich damit zu beschäftigen, wie man trotz linearer Basics die verschiedenste Tempi, ineinander verschachtelte aber sehr direkte Grooves in den Track bringen kann und es dabei trotzdem überraschend tanzbar zu halten. Wie stellt ihr euch den Gebrauch solcher Tracks vor?
R: Ich wußte gar nicht, daß die Leute dazu tanzen können. Nehmen die alle Drogen? Wenn ja, welche, und wieso hat mir nie einer was davon abgegeben??? Nein, ich habe keinen Plan, wie unsere Musik zu nutzen ist. Vielleicht zum Bügeln, ja, ich glaube, zum Bügeln ist das gut. Oder für Architektenbüros nachts um 12 wenn die Koffeeintabletten ihr Eigenleben entwickeln und der Blick aus der Glasfront auf den spärlich beleuchteten Innenhof sich nicht mehr deckt mit einer Vision von demokratischer Offenheit und Weite auf 35 qm. Also quasi als akustisches Weitwinkel.

Die Platte funktioniert mit sehr vielen sehr klaren, gerne mal natürlich wirkenden, Sounds/Samples. Jedenfalls klingt es für mich so. Dadurch wirkt es sehr weit und wie unter freiem Himmel produziert. Monolake der ideale Stadionrockersatz…
G: Die Platte IST unter freiem Himmel produziert worden. Wir haben unser Studio jetzt sehr kompakt bekommen und reisen viel herum damit. Zum Musizieren gehen wir prinzipiell raus. Ensteht alles “on location”. Ideen brauchen Platz.

…bereit fuer Ufokonzerte, und die Beschallung der Greenpeace 2000 Party? Nein, ernsthaft, hat die Platte, neben den vielen klaren mathematischen und südamerikanischen Titeln wirklich etwas mit dem Zusammenspiel von Elektronik und Lebensformen zu tun?
G: Wo ist der Unterschied? Das ganze Wochenende hatte mein Computer Verstopfung. Ein dicker Emailklumpen blockierte den Rest. Dabei kamen dauernd neue Mails oben drauf, so daß es noch mehr gedrückt hat. Sehr unangenehm.

Wie macht man das…lebendige Musik ?
G: Die Erfahrung zeigt: Man muß sich schon sehr anstrengen, damit die Maschinen NICHT lebendig klingen. Das Studio ist ein Zoo, und alles lebt. Von wegen digitale Präzision.

Angenommen, man müßte ein Quadrat aus musikalischern Beziehungen bauen und man hätte an einer Ecke Mark und Moritz und an der anderen Atom Heart, an der dritten euch, was wäre dann an der vierten?
G: Prof. Grzimek.

R: (nachmach:) “Heute habe ich ihnen ein putziges kleines Projekt aus Berlin mitgebracht … ” .

G: Ich sehe mehr so ein Dreieck : Punkt A : guter Pop : weil da immer alles stimmt und sehr abgewogen ist, halt klassische Produzentenmusik (Grace Jones, FgtH, Roxy Music,…) Punkt B: Computer Music, akademische: weil die Jungs schon vor 20 Jahren Sounds hatten, die einem heute noch Gänsehaut machen und ohne die gäbe es all die geile Software gar nicht. Punkt C: Techno, weil der Beat die Computermusic von der “ernsten Musik” befreit hat, ohne dabei Pathos ala Tangerine Dream zu erzeugen.

Macht es nach all diesen Jahren überhaupt noch Spaß sich in irgendeiner Tradition (Erfindertum, Innovation, elektronische Musik, blabla) verorten laßen zu müßen?
G: Nein. Danke für dein Verständnis.

Wie umgeht man solche Probleme?
G: Unser Vorteil ist: Wir müßen gar nicht darüber nachdenken. Solange es geht, ist man froh und tut was zu tun ist, so gut man kann.

R: Alles fliesst, und irgendwann fängt es an zähflüssig zu werden und in einer Form zu erstarren. Wie Lava. Warum? Keine Ahnung.


Was bleibt immer wieder an ganz neuem?
R: Man muß die Lava umleiten solange sie blubbert. Egal ob auf Sizilien oder auf dem Mars. Wir werden auch in Zukunft rote Blümchen sprießen laßen auf dampfendem Gestein, und es wird immer ein laues Lüftchen wehen in tiefen Schluchten.

Wo findet man es?
R: überall! Im botanischen Garten, in Tokyo, am Wannsee, unter der Dusche…

Und woher kommt der fast schon absurde Spaß, den Interstate macht?
R: Wir hatten Spaß und wir haben ihn aufgenommen. Es könnte damit zu tun haben, daß wir so ein gewißes bayerisches, also alpenländisch südliches Flair sublimal mit eingebaut haben. Im Prinzip gibt es da immer pralle Dirnen, maßive Alphörner und natürlich den Föhn und Bier.

Hat sich an eurer Art der Zusammenarbeit etwas geändert für Interstate?
R: Je länger so eine Beziehung dauert, so eine musikalische Ehe, umso mehr destilieren sich Eigenheiten heraus. Und da Musik eben Kommunikation ist, versucht man, sich nicht zu streiten, wenn es nicht sein muß, und irgendwann stellt sich raus, wer beßer abspülen kann und wer mehr für das auswechseln von Glühbirnen oder das Reparieren vom Rasenmäher zuständig ist. Und natürlich geht das nur, wenn man regelmäßig die Simpsons guckt.

Ist es wirklich so, daß, wie ein findiger Schreiber geäußert hat, Monolake nichts mit Fricklertum zu tun hat, und wie macht man das klar?
G: Eno sagt: Es gibt Research Art und Result Art. Wir interessieren uns eher für Result Art. Es gibt doch schon so viele musikalisch/technische Erfindungen. Der Pool steht allen offen. Da heißt es: beherzt zugreifen. Daß wir ab und zu in entwürdigender Position unter dem Mischpult liegen oder mit beiden Händen im Code wühlen geht niemanden was an.

Warum ist zu recht auf dieser LP nie etwas gleich?
R: Schon mal zwei gleiche Schmetterlinge gesehen? Es kann auch daran liegen, daß ich mir Melodien nicht merken kann. Also weiß ich einen Takt später nicht mehr wo die Eins war und welcher Sound jetzt wohin soll. Dann verschiebt sich das alles und je mehr ich versuche, wieder Ordnung reinzubrigen, umso mehr Chaos entsteht. Neulich haben wir vier Stunden lang Sounds runtergetragen, weil wir nicht mehr ans Pult kamen. Jetzt ist wieder Platz und der Wahnsinn kann von neuem beginnen.

Was sind die Pläne für das Label?
R: Die Sehnsucht nach Weite treibt uns gerade in die Wüste. Wir arbeiten an staubigen heißen Tracks… und da wird sicher ein neues Vinyl abfallen, und evtl. noch ein paar Sachen von der CD auch auf Vinyl. Was Imbalance angeht, siehe oben. Und wir planen ein neues, evtl. audiovisuelles Liveset für den Nichtdanceclub Rahmen, mal sehen.